Im Haushaltsausschuss bin ich als Berichterstatter für den Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter anderem für die Ausgaben im Endlagerbereich zuständig.
Um über die Höhe von Bundesausgaben entscheiden und diese parlamentarisch begleiten zu können, ist es auch notwendig, sich im Fachgebiet auszukennen und sich ein Bild vor Ort zu machen. Am Dienstag, den 15. September habe ich deshalb gemeinsam mit den zuständigen Haushältern der anderen Fraktionen Christian Hirte (CDU), Josef Rief (CDU), Roland Claus (DIE LINKE) und Sven-Christian Kindler (B90/DIE GRÜNEN) die Schachtanlage Asse besichtigt.
Die Asse ist ein ehemaliges Salzbergwerk in Niedersachsen, in dem bis 1978 schwach- und mittelradioaktiver Abfall endgelagert wurde. Insgesamt lagern dort rund 126.000 Fässer. Von 1995 bis 2004 wurden verbliebene Hohlräume aus dem ehemaligen Salzabbau verfüllt.
Täglich dringen in die Asse rund 12.000 Liter Wasser ein, deshalb wurde 2009 zur langfristigen Sicherheit von Mensch und Umwelt die Entscheidung getroffen, den Atommüll rückzuholen und in ein oberirdisches Zwischenlager umzulagern. Ein schwieriges und risikoreiches Unterfangen. Seit 2012 laufen nun bereits Probebohrungen, um zu erkunden, wie es hinter den 13 Atommüll-Kammern aussieht, die mit einer teils über 20 Meter dicken Betonschicht verschlossen sind. Dabei arbeitet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unter strengen Schutzanforderungen.
Seit dem 01. Januar 2009 bis Ende 2014 sind bereits Kosten von rund 531,6 Millionen Euro entstanden. Für das Jahr 2016 werden 120 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingestellt, für die Folgejahre jeweils 110 Millionen Euro. Die Kosten der Rückholung aus der Asse sind der „unsicherste Posten“ im Haushalt des Umweltministeriums, da sich die Gesamtkosten für die Rückholung und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht belastbar abschätzen lassen.
Foto (von links nach rechts):
Christian Hirte (CDU), Steffen-Claudio Lemme (SPD), Wolfram König (Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)), Josef Rief (CDU), Roland Claus (DIE LINKE), Sven-Christian Kindler (B90/DIE GRÜNEN)
Als Hauptberichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für die Ausgaben des Bundesumweltministeriums liegen die Kosten der Endlagerung radioaktiver Abfälle in meinem Verantwortungsbereich.
Für mich – als ehemaliger Gesundheitspolitiker – ein unheimlich spannendes, aber ehrlich gesagt noch recht neues Feld: Wie funktioniert ein Kernkraftwerk? Welche Vorsichtsmaßnahmen und Schritte gilt es bei der Stilllegung und beim Rückbau eines Kraftwerks zu beachten? Wie viel kostet ein Rückbau und wie lange dauert er? Was geschieht nach dem Ausstieg mit den Beschäftigten vor Ort? Wie setzt sich ein Castorbehälter technisch zusammen? Welche Voraussetzungen müssen sichere Zwischen- und Endlager erfüllen?
Fragen über Fragen, denen ich in der letzten Woche in Gorleben und Rheinsberg (Brandenburg) auf die Spur gegangen bin. Denn gerade wenn es um Geld geht, sollte man sich ausführlich informieren, um sich eine Meinung bilden zu können!
Der erste Tag führte mich frühmorgens nach Gorleben in Niedersachsen. Gemeinsam mit meinen Kollegen der CDU/CSU Dr. André Berghegger und von BÜNDNIS 90/Die Grünen Sven-Christian Kindler, wurde ich von Wolfram König, dem Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz, über Geschichte und Befunde des ehemaligen Erkundungssalzstockes für ein Endlager informiert. Mit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes am 27. Juli 2013 wurde die Erkundung des Bergwerks beendet. Aber: Es ist so lange offen zu halten, wie der Standort Gorleben nicht im Standortauswahlverfahren ausgeschlossen wird.
Für meine Zuständigkeit interessant war hierbei vor allem, was „Offenhaltungsbetrieb“ in der Praxis bedeutet. Denn für diesen stehen immerhin noch 40 Millionen Euro jährlich im Haushalt. Mittlerweile wurde der Besucherbetrieb eingestellt, untertage müssen beispielsweise Bohrungen verfüllt und technische Einrichtungen und Kabel entfernt werden.
Anschließend besichtigten wir das Transportbehälterlager Gorleben – ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente und hochradioaktive Abfälle ("Glaskokillen") deutscher Herkunft aus der Wiederaufarbeitung. Auf dem Gelände befindet sich außerdem die Pilot-Konditionierungsanlage Gorleben, in der Verpackungsverfahren für radioaktive Abfälle erprobt und entwickelt werden.
Ein hochinteressanter Tag, der mir zum einen die Vorteile und Risiken einer Endlagerung in einem Salzstock und zum anderen die politische Brisanz des Standortes Gorleben vor Augen geführt hat!
Der zweite Tag: Von Berlin aus ging es mit der Regionalbahn in ca. 45 Minuten nach Rheinsberg (Brandenburg). Das ehemalige DDR-Kernkraftwerk ging 1966 in Betrieb und wurde bereits 1990 stillgelegt. Seit 1995 befindet es sich im Rückbau – die fortgeschrittenen Rückbau-Erfahrungen der Energiewerke Nord GmbH sind somit deutschlandweit einzigartig. In einem spannenden Vortrag erfuhr ich, welche Genehmigungsstufen erforderlich sind und welchen unerwarteten logistischen, technischen und geologischen Herausforderungen die Beschäftigten dieses gefährlichen Berufsumfeldes in den letzten 19 Jahren gegenüber standen.
Dann kam das Highlight: Von Kopf bis Fuß neu eingekleidet, ging es durch eine Schleuse in das ehemalige Kraftwerk. Verschiedenfarbige Überschuhe signalisierten die jeweilige Strahlungsgefahr. Gelbe Schuhe (höchste Stufe) gab es beispielsweise – ist ja klar – in der Halle des ehemaligen Druckwasserreaktors. Außerdem gab es in Rheinsberg auch ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, das einfach aus Beton errichtet worden war. Das Lager wurde ebenfalls rückgebaut und das Material nach Morsleben, dem Endlager für die radioaktiven Abfälle der DDR, transportiert. Die Kosten für Morsleben liegen mit momentan knapp 50 Millionen Euro ebenfalls im Umweltetat.
Der Tag war unheimlich informativ, beeindruckend und machte mich sehr nachdenklich. Angesichts der großen Gefahren der Kernenergie bin ich froh, dass der Ausstieg beschlossene Sache ist! Wir sind es unseren nachfolgenden Generationen aber schuldig, auch die Verantwortung für die Abfälle des Atomzeitalters zu tragen. Die neu eingesetzte Endlagersuch-Kommission soll nun zunächst Kriterien für die Standortsuche definieren – ich werde den Prozess intensiv verfolgen.