MOBIT: Neonazismus als gesamtgesellschaftliches Problem behandeln

Innenminister Dr. Hans-Peter Friedrich versprach in den letzten Tagen wiederholt Aufklärung im Zusammenhang mit dem Neonazi-Trio aus Zwickau/Jena und den Versäumnissen der zuständigen Behörden. Die derzeitige politische Debatte ist dabei allerdings zu sehr von schnellen repressiven Vorschlägen geprägt, die jetzt auch wieder den Fokus von der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Rechtsextremismus ablenkt und reflexartig Handlungssicherheit suggeriert.


Die Mobile Beratung in Thüringen. Für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus (MOBIT) beobachtet und analysiert schon seit Jahren Strategien und Aktionen der Neonazis. Thüringen hat sich zum Bundesland mit den meisten Neonazi-Open-Airs entwickelt. Diese finden zum Teil schon seit zehn Jahren mit überregionaler, teils europaweiter Beteiligung statt. Bei diesen Großveranstaltungen und auf den gut zwei Dutzend weiteren Neonazi-Konzerten wird ein modernes, attraktives Bild vom Neonazismus erzeugt, werden oberflächliche Ressentiments zu einem extrem rechten Weltbild verfestigt und die Szene untereinander vernetzt. Wenn Innenminister Friedrich behauptet, es gäbe keine internationalen Verflechtungen der rechten Szene, so hat MOBIT gerade durch die Beteiligung von Bands und Rednern aus dem internationalen Blood & Honour-Spektrum (in Deutschland seit 2001 verboten) ein anderes Bild gewonnen. RechtsRock ist dabei nur ein augenfälliges Beispiel, wie Rechtsextreme an gesellschaftlich vorhandene Einstellungen anknüpfen, um mit einer stetigen „Graswurzelarbeit“ offene Zustimmung zu ihren menschenverachtenden, rassistischen, nationalistisch-chauvinistischen und antisemitischen Haltungen zu erzeugen.


„Es geht nicht nur um einzelne rechtsextreme Gruppierungen.“ kommentiert Steffen Lemme, Vorsitzender von Mobit e.V. „Seit Jahren warnen wir immer wieder vor der schleichenden Verankerung neonazistischer Positionen in den Köpfen. Ich fordere im Hinblick auf die verbreiteten rechtsextremen Einstellungen eine gesamtgesellschaftliche Debatte und keine Symbolpolitik! Projekte gegen Rechtsextremismus müssen auf Dauer angelegt werden und somit der Dimension der Aufgabe Rechnung zu tragen.“ Katja Fiebiger, Mitarbeiterin im Mobilen Beratungsteam, unterstreicht: „Es ist an der Zeit, das umfangreiche, gewachsene Wissen und die Handlungskompetenz der Zivilgesellschaft und der Projekte gegen Rechtsextremismus entsprechend zu berücksichtigen und wertzuschätzen!“ Es bleibt unverständlich, warum Behörden beim Kampf gegen Rechtsextremismus zumeist nur auf Einschätzungen des Verfassungsschutzes zurückgreifen und den Erfahrungsschatz der zivilgesellschaftlichen Akteure ignoriert.
Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) verweist auf einen Forderungskatalog, welcher auf der Homepage abrufbar ist unter: www.mobit.org