Erfahrungsbericht - "There and back again" - 1 Jahr parlamentarischer Schüleraustausch

PPP-Programm

Im vergangenen Jahr konnte ich als Pate Kjell Ratajczak durch seine Zeit im Parlamentarischen Austauschprogramm des Bundestages in den Vereinigten Staaten begleiten. Vor etwa einem Jahr habe ich mich auch direkt vor Ort mit Kjell getroffen und mit ihm über seine Zeit in der USA gesprochen. Seinen Erfahrungsbericht zu seinem Austauschjahr möchte ich natürlich nicht vorenthalten.

PPP-Stipendiat: Kjell Ratajczak 

Abgeordneter/Pate: Steffen-Claudio Lemme 

„There and back again“ - Abschlussbericht für das Austauschjahr 14/15

Nun, ich habe mich lange gefragt, wie ich diesen Bericht beginnen soll, denn es erscheint mir so gut wie unmöglich, das Erlebte in dieser Form niederzubringen. Wie  sollte ich es auch schaffen, all diese Erlebnisse und Erinnerungen, diese wieder  streitenden Gefühle, die nur jemand versteht, der sie selbst einmal gefühlt hat, ja  ll dies auf 4 Seiten zu bringen und dabei jemandem verständlich machen, wie es  ist und was es bedeutet, Austauschschüler zu sein. Nein, ganz verstehen werden die, die diese Abenteuer nie bestanden haben, es nicht, doch ich denke gerade dies macht diese Herausforderung zu einer der schwersten und wichtigsten als Botschafter in diesem Jahr. Es ist eine Sache, in ein anderes Land zu gehen und dort von  seiner Heimat zu erzählen und den Leuten dort unsere Bräuche, Geschichte und Lebensweise verständlich zu machen, aber eine ganz andere aber nichtsdestotrotz  eine mindestens genau so wichtige, den Leuten Zuhause die des Austauschlandes  näher zu bringen. Dies also werde Ich hiermit, so gut es mir möglich ist, versuchen.

Es braucht nach meiner Erfahrung eine ganz besondere Sorte Mensch, um ein Austauschschüler zu sein. Man muss selbständig und bedacht, offen und freundlich, neugierig und reiselustig, aber vor allem sehr mutig und ein klein wenig verrückt sein, um das zu wagen, was meine Mitstipendiaten (und Freunde) und alle anderen Austauschschüler, die Ich während meines Jahres so kennengelernt habe, gewagt haben. Nicht jeder ist so bereit und freudig, sein Zuhause für ein ganzes Jahr zu verlassen und eine Reise ins Unbekannte zu wagen, wie wir es waren. Wir wussten lange nicht, wohin genau unsere Reise uns führen würde, wussten nicht zu wem, oder was sie alles für uns bereithalten würde. Und doch saßen wir alle aufgeregt und neugierig und freudig auf das Kommende im Flieger, der uns von allem uns Bekannten weg und in das Neue und Unbekannte tragen sollte. Wir alle hatten unsere  Träume und Pläne, als wir uns alle zum ersten Mal in Würzburg trafen, austauschten und Freunde wurden, doch keiner von uns hatte auch nur im geringsten eine  Ahnung, was wirklich auf uns zukam und wie viel besser es sein sollte als Alles, was  wir uns ausgemalt haben. Und heute, fast genau ein Jahr später, sind wir wieder hier: Wir sind wie früher und doch haben wir uns so sehr verändert. Wir sind nun “Kinder zweier Welten“ und ein Teil von uns haben wir in Amerika gelassen. Ein  Teil unseres Herzen, das dort auf ewig bleiben wird, bei unseren Freunden und  zweiten Familien. Wir alle vermissen unsere Zeit dort schon jetzt schmerzlich und werden, so fürchte und hoffe ich, nie ganz damit aufhören. Wir haben ein ganzes Leben in einem Jahr erlebt und aufgebaut und nun, schneller als wir ahnten, ist es zu Ende. Doch bleiben uns die Freundschaften und Erinnerungen und wir alle werden oft zurückkehren und Freunde und Familien besuchen. 

Doch jetzt sollte ich wohl erst einmal ganz vorne beginnen, da wo alles anfing: bei der Auswahl. Ich hatte mich bei mehreren Organisationen für Stipendien beworben  und bin dann auf das PPP gestoßen und habe mich beworben, alte Sachen beschafft  und habe die Gespräche besucht, Herrn Lemme, meinen Paten, getroffen und mit  ihm vor der Entscheidung noch einmal gesprochen. Dann hieß es warten und warten. Ich hielt es kaum aus und hatte beinahe schon alle Hoffnung verloren, da bekam ich einen Anruf aus dem Büro von PI, ich hätte das Stipendium bekommen. Ich konnte es erst mal gar nicht glauben und dann, als auch Herr Lemme es mir bestätigte, war ich überglücklich. Von allen Bewerbern wurde ICH ausgewählt, durfte ICH den Traum leben.

Und dann kam Würzburg. Eine Woche mit den anderen Stipendiaten, eine Woche mit Leuten in meinem Alter und demselben Traum, eine Woche Vorbereitung auf das Kommende, und eine Woche in der wir alle Freunde wurden. Schon für Würzburg alleine hatte sich das Stipendium gelohnt und ich war noch dankbarer, dass ich dieses Abenteuer erleben durfte. Doch dann hieß es erneut warten. Warten auf die Informationen über die Leute, mit denen man das nächste Jahr zusammen leben sollte. Und endlich war es soweit: Wir hatten alle unsere Gastfamilien bekommen und standen mit unseren Eltern, Geschwistern und Freunden im Flughafen Frankfurt und machten uns bereit, Abschied zu nehmen. Es war nicht einfach, doch zumindest bei mir war die Vorfreude größer als alles Andere und ich fieberte dem Abflug gespannt und aufgeregt entgegen.

Neun nervenaufreibende Flugstunden später war es so weit wir reisen offiziell In die Vereinigten Staaten ein. Und dann waren wir über die Grenze und warteten auf unsere Anschlussflieger.  Nach sieben Stunden Wartezeit in Chicago und weiteren zweieinhalb Flugstunden erreichte ich endlich Norfolk, Virginia und traf zum ersten Mal meine Gastfamilie, Jaime und Jami Baron, die mit einem großen Schild und einem breiten, freundlichen Lächeln auf mich wartete. 

Von hier an begann mein Austauschjahr richtig. Die erste Woche verbrachte Ich ausschließlich mit meiner Gastfamilie. Da noch Ferien waren, konnten wir jeden Tag etwas unternehmen. Wir gingen in Vergnügungsparks und auf Konzerte, besuchten verschiedene Städte und ihre Sehenswürdigkeiten. Dann, eine Woche später, durfte ich zum aller ersten Mal in eine amerikanische Highschool eintauchen.  Mein erster Tag als „Lakeland Cavalier“ war aufregend und meiner Meinung nach sehr erfolgreich: Ich kam auf Anhieb mit allen Lehrern und Mitschülern klar und fand fast direkt Freunde, die mich von hier an für den Rest des Jahres begleiten sollten. Und dieser Tag war es auch, an dem meine Aufgabe als “Botschafter Deutschlands“ richtig begann. Ich wurde besonders an den ersten Schultagen sehr viel über Deutschland, unsere Kultur und Politik und unsere Traditionen und Einstellungen zu verschiedenen Themen ausgefragt.  Auch Schulsport gehörte von nun an zu meinem täglichen Leben. So trat ich im ersten Halbjahr dem Cross-Country-Team bei. Das hieß vor allem Training, Training und noch mehr Training. Das war aber nicht weiter schlimm, da ich gleich doppelt davon profitierte. Zum einen konnte ich meine Ausdauer und meine Körperfitness durch tägliches Training verbessern und verbrachte dabei gleichzeitig fast jeden Nachmittag mit meinen Freunden. So vergingen die ersten Monate rasend schnell in einem Wechsel aus Training und Rennen (die wir, wie ich hier doch einbringen möchte, sehr erfolgreich bestritten haben) und Schule und Wochenenden voller Spaß mit Freunden und Familie. 

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Bald kamen die ersten Ferien und meine Gastfamilie und ich, die nach dem Wechsel von meinem ersten Gastbruder Aurelio, einem Spanier, in eine andere Familie, nur noch aus mir und meinen beiden Gasteltern bestand, fuhren zu ihren Freunden nach Massachusetts, wo wir ein schönes Thanksgiving-Wochenende verbrachten. 

PPP-ProgrammWenige Tage später ging es noch einmal nordwärts, diesmal jedoch nach New York mit den anderen Austauschschülern und FLAG. Unsere Lokalen Koordinatorin, Cindy Fegley, hatte das ganze organisiert und ihr verdanken wir alle ein paar unvergessliche Tage in der Stadt, die niemals schläft. 

Dann kam schneller als gedacht die Weihnachtszeit und mit Ihr mein zweiter Gastbruder, Demirel aus Kirgisistan, der auch bis ans Ende des Jahres bei uns blieb. Wir hatten sehr viel Spaß und tauschten uns über verschiedene Weihnachtsrituale aus.  Für Demirel war es sogar das erste Weihnachten seines Lebens. da es in Kirgisistan, seiner überwiegend muslimischen Heimat, nicht gefeiert wird. 

PPP-ProgrammÜber die Feiertage flogen wir alte zusammen nach Denver, Colorado um dort bei der Familie meines Gastvaters Jaime die Feiertage zu verbringen. Heiligabend war wunderschön und auch danach waren die Feiertage voller toller Erlebnisse. Wir gingen Skifahren in den Rockies und einen Tag später feierte ich meinen 17. Geburtstag. Dann, am 30. Dezember, flogen wir zurück nach Virginia. 

Neujahr verbrachten mein Gastbruder und ich mit den anderen Austauschschülern der Region, die wir schon von anderen Flag-Aktionen gut kannten und die unsere Freunde waren, bei unserer lokalen Koordinatorin, die die Neujahrsfeier organisiert hatte.  Kurz darauf hatte Cindy noch einen spannenden Trip für uns organisiert. Diesmal ging es ab nach Washington D.C., wo wir das Parlament, das Weiße Haus und das Holocaust Museum besuchten. Wir alle nahmen viel Lehrreiches von diesem Trip mit. 

PPP-ProgrammAuch danach ging es spannend weiter. Die Cross-Country Saison war vorbei, aber mit dem Frühling startete die Fußball-Saison.  Mein Gastbruder und ich bildeten mit vielen unserer Freunde das Varsity-Team, also die 1. Schulmannschaft, und so ging es wieder mit hartem Training an jedem Tag nach der Schule los. Auch spielten wir von nun an oft gegen andere Schulen, entweder im Cavalier-Stadion oder auswärts. 

So kam leider auch bald die Zeit der ersten Abschiede, denn das Schuljahr neigte sich dem Ende zu. Die ersten von uns Austauschschülern traten die Heimreise an, aber erst nachdem wir alle Kontaktdaten ausgetauscht und uns gegenseitig In unsere Heimatländer eingeladen hatten. 

PPP-ProgrammBald war es auch bei meinem Gastbruder Demirel soweit und wir verabschiedeten ihn am Flughafen kurz vor seiner Abreise. Ich jedoch hatte nach Beginn der Sommerferien noch etwas Zeit bis zur Rückreise und verbrachte diese mit meinen amerikanischen Freunden und meiner Gastfamilie. Auch besuchte ich noch den Prom meiner Schule. 

Danach tauschte ich Kontakte mit meinen amerikanischen Freunden aus und lud sie nach Deutschland ein und wurde wiederum darauf eingeladen, gerne immer bei ihnen vorbei zu kommen.  Und dann kam der Tag, an dem ich meine Reise nach Hause antrat. Natürlich ging ich erst mit den anderen PPP-Stipendiaten nach Washington D.C und verbrachte dort noch zwei schöne Tage. Dann ging es ab in den Flieger und nach Hause, wo mich meine Freunde und Eltern erwarteten. So also ging mein Austauschjahr zu Ende, aber die Erinnerungen und die Freundschaften die geknüpft wurden werden für immer bleiben. 

Aber auch anderweitig habe ich natürlich von dem Austauschjahr profitiert: Ich habe nicht nur Freundschaften geschlossen und Menschen kennengelernt, die aus allen Winkeln der Welt kommen, nein Ich habe auch viel darüber gelernt, wie es sein wird, wenn ich meinen eigenen Lebensweg bestreiten werde, habe viele Sachen erlebt, die die Entscheidung meiner Berufswahl beeinflusst haben. Ich konnte meine Fertigkeiten ausbauen und verbessern, sowie neue erlernen und habe auch ein gutes Stück mehr Selbstvertrauen gewonnen. Ich habe viel über andere Kulturen gelernt und - etwas, das mir besonders wichtig- ist viele neue Freunde fürs Leben gefunden und eine zweite Familie. Aber am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass ich viel darüber gelernt habe, wer ich bin, wer ich war und wer ich einmal sein will. Das alles ist unbezahlbar und ich werde es nie vergessen. Ich hoffe auch, dass die anderen nicht vergessen, was ich ihnen über Deutschland und seine Geschichte, seine Bräuche und seine Menschen beigebracht habe, denn dann kann ich guten Gewissens sagen, dass ich meine Botschafterrolle erfolgreich ausgeübt habe. 

Ich weiß, dass es vielleicht merkwürdig erscheint, dass ich nach meinem ausschweifenden Anfang nur eine so kurze Zusammenfassung meines Austauschjahres geschrieben habe. Die einfache und hoffentlich verständliche Antwort darauf ist, dass ich, durch die Seitenzahl begrenzt, mich nur auf die wichtigsten Sachen beschränken und auch diese nur kurz ausführen konnte, schon alleine deswegen, weil ich es als falsch erachte, nur diese Ereignisse anzuführen und sie dann auch noch ausführlich zu schildern, während andere, kleinere aber dennoch für MEIN Bild des Jahres genauso wichtige Ereignisse gar nicht angeschnitten werden konnten. Dennoch hoffe ich, dass ich ein einleuchtendes und verständliches Bild auf das Leben geworfen habe, dass ich in diesem einen Jahr aufgebaut und geführt habe. Zum Schluss jedoch möchte ich noch einmal allen herzlichst danken, die dieses, mein Abenteuer erst ermöglicht haben und denen, die es zu dem wunderbaren Erlebnis gemacht haben, das es war. Danke an Herrn Lemme, dass er mich ausgewählt hat, diese Reise anzutreten und für die tolle Begleitung, die er auch über das Jahr hin weg war. Danke auch an PI für die tolle Vorbereitung und Organisation. Danke an meine Freunde und Familie, sowohl deutsch als auch amerikanisch, die mir beistanden, wenn es schwierig wurde und mich in allem unterstützten, was ich tat und durch deren Gesellschaft und Unterstützung dieses Jahr zu dem wurde, was es war.  

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